Haben Sie sich schon einmal mit dem Thema Tarifvertrag beschäftigt? Wenn Sie damit nicht schon während Ihres Werdegangs Berührungspunkte hatten, dann doch wahrscheinlich, wenn ein großer Gewerkschaftsstreit (bei Piloten oder Zugführern) in den Medien auftaucht und die Forderungen und Angebote beider Streitparteien verhandelt werden. Doch dies sind nur ein paar wenige Beispiel dazu. Laut der Gewerkschaft Verdi bestehen in Deutschland rund 50.000 Tarifverträge, die für viele Arbeitnehmer von essentieller Bedeutung sind. Doch welche Tarifverträge existieren eigentlich, welche Dinge werden dort fixiert und für wen sind die festgelegten Regelungen relevant?

Was ist ein Tarifvertrag?

Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Tarifvertrag so:

Bürgerlich-rechtlicher Vertrag zwischen Parteien mit Tariffähigkeit (Arbeitgeberverbände, einzelne Arbeitgeber, Gewerkschaften) zur Regelung ihrer Rechte und Pflichten (schuldrechtlicher Teil) und zur Festsetzung von arbeitsrechtlichen Normen (normativer Teil).

Sinn und Zweck von Tarifverträgen ist es, die Wünsche sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber zusammenzubringen:

  • Die Arbeitnehmer zielen auf für sie optimale Arbeitsbedingungen in den Punkten Vergütung, Arbeitszeiten und Urlaub.
  • Der Arbeitgeber möchte gleichzeitig bestmögliche Arbeitnehmer, die seine Kosten im Vergleich zur Konkurrenz nicht überstrapazieren und ihm keinen Wettbewerbsnachteil einbringen. Folglich werden nicht alle Wünsche der Arbeitnehmer erfüllt werden.

Etwa 20% der Arbeitnehmer hierzulande gehören einer Gewerkschaft an, die die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Im Verbund einer Gewerkschaft können Arbeitnehmer ihre Forderungen eher durchsetzen, als wenn sie auf sich allein gestellt wären.

Vereinbart wird ein Tarifvertrag zwischen der Arbeitnehmerseite (durch die Gewerkschaften) und der Arbeitgeberseite (durch die Arbeitgeberverbände). Rechtliche Basis dafür ist das Tarifvertragsgesetz. Wie jeder Vertrag sind die Vertragspunkte für beide Parteien üblicherweise bindend (Tarifbindung).

Es gibt auch Ausnahmen und Zusatzregelungen

Diese bestehen, wenn der Arbeitgeber Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist, dieser jedoch in seiner Satzung eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) erlaubt. Gewerkschaften nennen dies Tarifflucht, da somit die Inhalte des Tarifvertrages für den Arbeitgeber nicht mehr verpflichtend sind.

Ziel eines Tarifvertrages ist es, alle wichtigen Punkte für die Arbeits- und Einkommensbedingungen der Gewerkschaftsmitglieder zu verankern. Rein rechtlich gesehen gelten die vereinbarten Regelungen nur für die Mitglieder der Gewerkschaft; in der Praxis werden diese Leistungen auch auf andere Arbeitnehmer ausgeweitet. Der Grund: Ohne diese Option würde der Arbeitgeber die Angestellten automatisch in die Arme der Gewerkschaft treiben.

Diese Verwendung der Vertragsregelungen auf Nichtgewerkschaftsmitglieder wird Gleichstellungsabrede genannt. Eine Klausel im Arbeitsvertrag legt fest, dass der Tarifvertrag und alle womöglich künftigen Regelungen auch für diesen Arbeitnehmer gelten.

Diese Inhalte stehen in einem Tarifvertrag

Generell ist ein Tarifvertrag in zwei Teile unterteilt: normativer und obligatorischer Teil.

  • Der obligatorische Teil legt die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien fest. Dazu zählen Laufzeit oder Kündigungsfrist des Vertrags.
  • Der normative Teil ist für Arbeitnehmer weitaus wichtiger und beinhaltet alle wesentlichen Punkte des Arbeitsverhältnisses und den zugehörigen Fragen. Dazu zählen:
    • Arbeitszeiten
      Nicht jeder Arbeitnehmer arbeitet die gleiche Anzahl an Stunden. In einem Tarifvertrag kann die Arbeitszeit auch verringert werden, auf maximal 37,5 Stunden pro Woche.
    • Arbeitsentgelt
      Der strittigste Punkt ist das Gehalt bzw. der Lohn der Arbeitnehmer. Hier wird fixiert, wie viel die Arbeitnehmer am Ende verdienen oder in welchen Stufen das Gehalt angehoben wird.
    • Arbeitsbedingungen
      Die Bedingungen, unter denen die Arbeit ausgeführt wird, kann im Berufsalltag einen wesentlichen Faktor ausmachen. Ob Lärm, Staub oder Abgasen, Arbeit im Freien, körperlich anstrengend oder sitzend: Diese Voraussetzungen sind wesentlich für das Wohlbefinden und die Arbeitsqualität des Arbeitnehmers.
    • Kündigungsfristen
      Oft werden in Tarifverträgen längere Kündigungsfristen als die gesetzlichen festgelegt. Dies ist generell mit der Betriebszugehörigkeit gekoppelt. Wer z. B.  länger als ein Jahr in einem Unternehmen arbeitet, hat eine Kündigungsfrist von maximal sechs Monaten zum Ende eines Quartals.
    • Urlaubsanspruch
      Hier kann fixiert werden, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers über den gesetzlichen Mindestanspruch hinaus erhöht wird. Gesetzlich vorgeschrieben sind 24 Werktage, kann jedoch mithilfe der Gewerkschaft auf 30 Tage erweitert werden.
    • Zusatzleistungen
      Auch Leistungen wie Weihnachtsgeld werden in einigen Tarifverträgen festgelegt. Welche dies konkret sind, ist von der jeweiligen Branche abhängig.

Autor

Heino Cziumplik

Heino Cziumplik

Geschäftsführender Gesellschafter

Seit 1993, zunächst als Zeitarbeiter, bin ich bei Rainer Hahn Personalservice im Unternehmen. Durch meine Ausbildungen zum Kaufmann sowie zum Dreher und Schweißer habe ich viele spannende und richtungsweisende Einblicke gewinnen können. Im unserem Blog schreibe ich über alle Aspekte der Zeitarbeit und der Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern.

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